Hitzewelle in Schleswig-Holstein
Hitzewelle in Schleswig-Holstein, Foto: pixabay

Die anhaltende Hitzewelle in Schleswig-Holstein bringt nicht nur sommerliche Stimmung, sondern auch erhebliche Risiken für die Gesundheit. Betroffen sind vor allem pflegebedürftige Menschen, Obdachlose und Beschäftigte, die im Freien arbeiten. Die Temperaturen über 30 Grad, wie sie Anfang Juli gemessen wurden, stellen für diese Gruppen eine ernste Bedrohung dar. Der Deutsche Wetterdienst warnte am 2. Juli sogar vor extremer Hitze im Süden des Bundeslandes. Krankenhäuser im Land melden eine Zunahme von Patienten mit Kreislaufproblemen und Dehydrierung.

Pflegeheime ohne Schutz vor Hitze

Viele Pflegeeinrichtungen in Schleswig-Holstein sind baulich nicht auf Hitzewellen vorbereitet. Ronald Manzke vom Sozialverband VdK Nord kritisiert, dass genau jene Menschen, die am stärksten gefährdet sind, nicht ausreichend geschützt werden. Die Heime seien oft in alten, schlecht isolierten Gebäuden untergebracht. Klimaanlagen fehlen, einfache Maßnahmen wie Jalousien reichen nicht aus.

Pflegebedürftige Menschen seien deshalb häufig auf ihre Angehörigen angewiesen. Diese würden Räume abdunkeln oder mobile Klimageräte aus eigener Tasche anschaffen. Gleichzeitig leiden die Einrichtungen unter Personalmangel. Das Pflegepersonal könne kaum zusätzliche Maßnahmen leisten, so Manzke weiter.

Auch in vielen Krankenhäusern des Landes sieht die Lage ähnlich aus. Patrick Reimund, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein, betont, dass auch Klinikgebäude häufig alt und unzureichend gegen Hitze geschützt seien. Umbauten oder Klimaanlagen seien teuer und organisatorisch komplex. Der Sozialverband VdK Nord fordert daher mehr finanzielle Unterstützung vom Land und Bund.

Obdachlose in Lebensgefahr

Wohnungslose Menschen sind der Hitze besonders schutzlos ausgeliefert. Ohne festen Rückzugsort verbringen sie den ganzen Tag im Freien, oft ohne Zugang zu Wasser oder Schatten. Die Diakonie Schleswig-Holstein warnt vor lebensbedrohlichen Zuständen wie Kreislaufzusammenbrüchen oder Hitzschlägen. Kathrin Kläschen, Referentin für Wohnungslosenhilfe, betont die Bedeutung einfacher Hilfeleistungen durch Mitmenschen.

Schutzräume und Wasserstellen in Kiel

Die Stadt Kiel reagiert mit verschiedenen Maßnahmen. Es gibt Wasser-Auffüllstationen im Stadtgebiet sowie Schutzräume in Tagesstätten, wo sich Wohnungslose aufhalten, duschen und Wasser trinken können. Eine spezielle Karte zeigt kühle Plätze in der Stadt, die aufgesucht werden können.

Laut Diakonie steigt die Zahl wohnungsloser Menschen im Land seit Jahren. Mehrere Hundert Menschen leben demnach komplett auf der Straße, ohne Unterkunft. Besonders an heißen Tagen zeigt sich, wie existenziell wichtig Wasser und Schatten für diese Menschen sind.

Arbeitsplätze unter freiem Himmel werden zur Belastung

Auch Beschäftigte im Bauwesen sind der extremen Hitze ausgesetzt. Auf Baustellen oder Dächern herrschen gefährliche Bedingungen. Die Industriegewerkschaft Bau fordert deshalb 15-minütige bezahlte Pausen pro Stunde bei starker Hitze sowie die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes auf die Sommermonate.

Jan Christian Janßen vom Baugewerbeverband Schleswig-Holstein sieht keinen akuten Handlungsbedarf. Er verweist auf Selbstschutz durch Sonnencreme, Wasser, Pausen und Kopfbedeckung. Doch der Druck wächst. Sandra Goldschmidt von der Gewerkschaft Ver.di lobt die Zusammenarbeit zwischen Betriebsräten und Unternehmen, weist jedoch auf künftige Herausforderungen hin.

Gesetzliche Lage bei Hitzefrei

Einen Anspruch auf Hitzefrei gibt es in Deutschland bisher nicht. Zwar muss der Arbeitgeber ab 30 Grad im Innenraum Maßnahmen ergreifen, wie etwa Ventilatoren aufstellen. Doch auf Baustellen greift diese Regelung nicht. Die Lübecker Arbeitsrechtlerin Ellen Kloth erklärt, dass es bislang keine Vorschriften für Hitzefrei bei Außentemperaturen von 35 Grad oder mehr gibt.

Vergleich - Wer ist wie stark betroffen?

Betroffene Gruppe Hauptproblem Unterstützung vorhanden? Forderungen/Forderer
Pflegebedürftige Alte Gebäude, keine Kühlung Kaum, oft durch Angehörige Mehr Geld vom Land (VdK Nord)
Wohnungslose Kein Rückzugsort, Wassermangel Tagesstätten, Ehrenamtliche Öffentliche Kühlräume, Wasserausgabe
Bauarbeiter Arbeit in praller Sonne Selbstschutzmaßnahmen Hitzepausen, Kurzarbeitergeld (IG Bau)

Hitzeschutz braucht klare Prioritäten

Die zunehmenden Hitzetage infolge des Klimawandels fordern Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen. Schutzmaßnahmen müssen gezielt dort greifen, wo Menschen besonders gefährdet sind – ob durch Alter, Armut oder Arbeitsbedingungen. Die Forderungen nach mehr öffentlicher Finanzierung und gesetzlicher Anpassung werden lauter. Dabei können schon einfache Maßnahmen wie Trinkwasser, Schattenplätze oder flexible Arbeitszeiten akute Hilfe bieten. Doch langfristig braucht es strukturelle Lösungen, bevor die nächste Hitzewelle kommt.

 Quelle: NDR