Finanzbildung schützt Jugendliche vor Schulden
Finanzbildung schützt Jugendliche vor Schulden, Foto: pixabay

Immer mehr junge Menschen in Schleswig-Holstein verschulden sich durch einfache Online-Ratenkäufe. Schuldnerberatungen greifen ein – und setzen auf frühe Aufklärung in Schulen. Besonders Angebote wie „Jetzt kaufen, später zahlen“ von Zahlungsdiensten bergen Risiken, die viele unterschätzen. Ein Schulprojekt in Brunsbüttel zeigt, wie wichtig finanzielle Bildung ist.

Inhaltsverzeichnis:

Schleusen-Gemeinschaftsschule simuliert echten Alltag

Drei Schüler der Klasse 9b an der Schleusen-Gemeinschaftsschule in Brunsbüttel veranschlagen in einem Finanzplanspiel monatliche Ausgaben von über 500 Euro – pro Person. Dabei setzen sie für ihr Auto pauschal nur 100 Euro an. Kosten wie Versicherung, Reparaturen oder Kraftstoff fehlen. Zigaretten tauchen mit höheren Beträgen auf als das Auto.

Das Projekt wird von Anouschka Haalck geleitet, einer erfahrenen Schuldnerberaterin, die heute in der Prävention tätig ist. Die Jugendlichen erhalten zufällig Lohnzettel verschiedener Berufe – etwa den einer Arzthelferin mit Teilzeitvertrag und 1.350 Euro netto im Monat – und müssen dann ihre monatlichen Ausgaben planen. So üben sie:

  • Miete und Nebenkosten
  • Ausgaben für Mobilität
  • Versicherungen
  • Lebensmittel
  • Freizeit und Abonnements

Die Schülerinnen und Schüler merken schnell, wie wenig Geld nach festen Ausgaben übrig bleibt. Das führt zu Gesprächen über finanzielle Verantwortung.

Klarna und Paypal führen oft zur Überschuldung

Laut der Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Rendsburg betreffen Schulden besonders junge Erwachsene. Ein Drittel der Ratsuchenden ist zwischen 20 und 35 Jahre alt. Die Hälfte verschuldet sich durch Online-Shopping. Große Gefahr geht von Zahlungsmodellen wie „Jetzt kaufen, später zahlen“ aus – oft angeboten von Klarna und Paypal.

Diese Modelle ermöglichen Zahlungen nach 30 Tagen oder in Raten. Was bequem klingt, entpuppt sich als Kredit. Mehrere solcher Käufe können parallel laufen – häufig in kleinen Beträgen, die sich schnell summieren. Problematisch wird es, wenn Rechnungen nicht fristgerecht beglichen werden. Dann:

  • verschlechtert sich der Schufa-Score
  • wird die Kreditwürdigkeit herabgestuft
  • bleiben Einträge bei Nichtzahlung drei Jahre gespeichert
  • bleiben Kreditanfragen zwölf Monate sichtbar

Verbraucherschützer stufen diese Angebote als "Abzockmasche" ein. Die einfache Verfügbarkeit verleitet zu unüberlegten Käufen. Anbieter profitieren von Händlerprovisionen und Mahngebühren.

Schuldnerberatung fordert mehr Aufklärung

Anouschka Haalck fordert, finanzielle Bildung in den Schulalltag zu integrieren. In Schleswig-Holstein ist sie Teil der sogenannten „Verbraucherbildung“. Inhalte finden sich in Fächern wie Weltkunde oder Wirtschaft und Politik. Lehrkräfte begrüßen die Unterstützung von externen Experten. So auch Klassenlehrerin Esther Blumenthal. Sie sieht den Vorteil darin, dass die Schüler reale Erfahrungen und Beispiele von außen ernster nehmen.

Besonders gefragt sind Erklärungen zu:

  • Netto- vs. Bruttolohn
  • Steuern und Sozialabgaben
  • sinnvollen und überflüssigen Versicherungen
  • Abo-Fallen und Zahlungsdiensten

18 Schulen in Schleswig-Holstein nehmen aktiv an Programmen zur Verbraucherbildung teil. Diese werden von den Verbraucherzentralen als „Verbraucherschulen“ ausgezeichnet. Sie bieten Projekte in den Bereichen Finanzen, Ernährung, Medien und Konsum.

Gespräch über Geld soll kein Tabu sein

Haalck betont, wie wichtig offene Gespräche über Geld und Schulden innerhalb der Familie sind. Auch wenn Jugendliche unter 18 noch keine Verträge abschließen dürfen, wachsen sie in Haushalten auf, die möglicherweise solche Dienste nutzen. Die Frage nach finanziellen Gepflogenheiten zu Hause kann ein Türöffner sein, um Schulden frühzeitig zu vermeiden.

Schulden sollten kein Tabuthema sein. Wenn Familien nicht über finanzielle Schwierigkeiten sprechen, verstehen Kinder oft nicht, warum Wünsche nicht erfüllt werden. Gleichzeitig könnten sich Eltern zurückziehen und Schuldgefühle entwickeln.

Schulden sind laut Haalck nichts, wofür man sich schämen muss. Vielmehr sei es entscheidend, darüber zu sprechen und Unterstützung zu suchen – bevor sich kleine Beträge zu einem ernsten Problem entwickeln.

Quelle: NDR