Schleswig-Holstein erprobt ab Mitte Mai ein digitales Telenotarztsystem, das die Notfallversorgung verbessern und die Belastung für Rettungskräfte senken soll. Die neue Technik kommt zunächst in acht Städten und Landkreisen zum Einsatz. In 32 Rettungswagen wird das System installiert. Die Landesregierung setzt dabei auf moderne Technik, gezielte Schulung und effiziente Nutzung knapper Ressourcen.
Inhaltsverzeichnis:
- Neue Leitstellen in Kiel und Lübeck nehmen Betrieb auf
- Einsatzszenarien - Unterstützung bei komplexen Fällen
- Reaktion auf steigende Einsatzzahlen
- Weiterer Ausbau in Planung
Neue Leitstellen in Kiel und Lübeck nehmen Betrieb auf
Die Telenotarztzentralen in Kiel und Lübeck übernehmen die digitale Unterstützung für den Osten Schleswig-Holsteins. Ausgestattet mit spezieller Technik, betreuen sie Einsätze in den Städten Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster sowie in den Kreisen Plön, Ostholstein, Stormarn und Herzogtum Lauenburg. Die Notärztinnen und Notärzte arbeiten von sicheren Arbeitsplätzen mit geschützter Datenleitung und Notstromversorgung.
Das System wird vom Medizintechnikunternehmen Corpuls umgesetzt. Die Firma aus Bayern gewann die EU-weite Ausschreibung. Über eine App auf dem Smartphone wird der Telenotarzt zugeschaltet. Die Vitaldaten wie EKG und Sauerstoffsättigung werden automatisch übermittelt. Ein eigens entwickelter Router sorgt für eine stabile Verbindung.
Einsatzszenarien - Unterstützung bei komplexen Fällen
Notfallsanitäter wie Oke Reichel aus Lübeck werden gezielt geschult, um mit dem Telenotarzt zusammenzuarbeiten. In simulierten Szenarien, wie bei einer Sprunggelenksverletzung, kann der digitale Arzt etwa stärkere Schmerzmittel freigeben. Solche Einsätze dienen der Vorbereitung auf reale Notfälle.
Der Telenotarzt schätzt die Lage per Video ein, gibt medizinische Anweisungen und koordiniert Maßnahmen mit dem Rettungsteam vor Ort. In akuten Fällen bleibt der klassische Notarzt jedoch weiterhin unerlässlich. Das neue System ist eine Ergänzung, kein Ersatz.
Reaktion auf steigende Einsatzzahlen
Eine Studie der Fachhochschule Kiel zeigt: Die Notfalleinsätze in Schleswig-Holstein werden bis 2040 um mehr als 50 Prozent steigen. Der Grund ist vor allem die alternde Bevölkerung. Personen über 90 Jahre nutzen den Rettungsdienst sechsmal häufiger als Menschen zwischen 70 und 75 Jahren.
Mit dem Telenotarztsystem sollen Notärztinnen und Notärzte entlastet werden. Gerade in ländlichen Regionen, bei schwierigen Witterungsverhältnissen oder mehreren parallelen Einsätzen kann das System Zeit sparen und Ressourcen effizienter nutzen.
Weiterer Ausbau in Planung
Die vollständige Ausstattung aller 241 Rettungsfahrzeuge im Osten Schleswig-Holsteins ist langfristig vorgesehen. Finanziert wird das System von den gesetzlichen Krankenkassen. Genaue Angaben zu den Kosten pro Fahrzeug macht die Integrierte Regionalleitstelle in Kiel nicht.
Im Westen des Bundeslandes betreut die Rettungsdienst Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) die Einführung eines eigenen Telenotarztmodells. Die Zentrale in Pinneberg soll im Sommer starten. Die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg sind bisher nicht angebunden.
Mit dem Projekt reagiert Schleswig-Holstein auf aktuelle Herausforderungen im Rettungswesen – und schafft digitale Strukturen, die eine moderne Notfallversorgung ermöglichen.
- Start der Testphase: Mai 2025
- Beteiligte Regionen: 8 Städte und Landkreise
- Anzahl der Notärzte im System: 40
- Geplante Ausrüstung: 241 Rettungswagen
Quelle: NDR