Immer weniger Betriebe, doch die Milchmenge steigt – in Schleswig-Holstein zeigt sich ein deutlicher Strukturwandel in der Milchwirtschaft. Grund dafür sind gezielte Investitionen in Technik, Tiergesundheit und Fachpersonal. Neue Methoden ermöglichen nicht nur eine höhere Effizienz, sondern verändern auch die tägliche Arbeit auf den Höfen grundlegend.
Inhaltsverzeichnis:
- Fortschritt durch Digitalisierung auf dem Hof Bornholdt
- Florian Bornholdt setzt auf Automatisierung
- Zahlen belegen Strukturwandel in der Milchwirtschaft
- Tierwohl und wirtschaftlicher Druck stehen im Konflikt
Fortschritt durch Digitalisierung auf dem Hof Bornholdt
Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb Bornholdt in Osterhorn im Kreis Pinneberg steuert Herdenmanagerin Sandra Jessen die Milchleistung von rund 350 Kühen. Mit einem digitalen Überwachungssystem erfasst sie Gesundheitsdaten, Fressverhalten und Aktivität jeder einzelnen Kuh. Jedes Tier trägt einen Sensor, der mit einem zentralen Programm vernetzt ist. So kann Jessen schnell erkennen, ob eine Kuh krank ist oder sich nach der Kalbung normal verhält. Der Einsatz dieser Technik spart täglich mehrere Stunden Arbeitszeit und ersetzt manuelle Kontrollen.
Seit fünf Jahren arbeitet Jessen auf dem Hof, nach einem zweijährigen Trainee-Programm. Ihr Fachwissen sowie ihr technisches Verständnis sind zentral für die tägliche Arbeit. Die Digitalisierung erleichtert die Arbeit nicht nur, sondern trägt auch maßgeblich zur Leistungssteigerung der Tiere bei. Das Wohl der Kühe steht dabei im Vordergrund, denn nur gesunde Tiere produzieren auf Dauer zuverlässig Milch.
Florian Bornholdt setzt auf Automatisierung
Der Hofinhaber Florian Bornholdt übernahm den Familienbetrieb vor etwa zehn Jahren. Seither wurden umfangreiche Investitionen getätigt. Dazu zählen sechs vollautomatische Melkroboter, die je etwa 120.000 Euro kosten. Diese Maschinen ermöglichen das Melken rund um die Uhr und reduzieren den Personalbedarf erheblich. Gleichzeitig wird der Melkprozess für die Tiere schonender gestaltet, was sich positiv auf deren Gesundheit und Milchleistung auswirkt.
Neben der Technik investiert Bornholdt in gezielte Zuchtprogramme. Durch die Auswahl bestimmter Bullen wird versucht, die Nachkommen hinsichtlich Körperbau und Eutergesundheit zu verbessern. Auch dies ist ein Teil des umfassenden Gesundheitsmanagements, das die Effizienz des Betriebs steigert. Der technische Fortschritt ist somit ein zentraler Pfeiler der modernen Milchproduktion.
Zahlen belegen Strukturwandel in der Milchwirtschaft
Im Jahr 2024 lag die Anzahl der Milchkühe in Schleswig-Holstein bei rund 325.000. Zehn Jahre zuvor waren es noch etwa 400.000. Gleichzeitig sank die Zahl der Milchviehbetriebe von 4.500 im Jahr 2014 auf 2.700. Trotz dieses Rückgangs nahm die durchschnittliche Milchleistung pro Kuh zu. Diese Entwicklung ist laut dem Bauernverband Schleswig-Holstein auf drei Faktoren zurückzuführen: bessere Tiergesundheit, gezielte Zucht und moderne Technik.
Michael Müller-Ruchholtz vom Bauernverband betont insbesondere die Bedeutung von digitalen Überwachungssystemen, die Gesundheitsprobleme frühzeitig erkennen. Zusätzlich wurden Fortschritte in der Züchtung gemacht, die robuste und leistungsfähige Tiere hervorbringen. Der Einsatz von Melkrobotern stellt darüber hinaus eine technische Innovation dar, die den Produktionsprozess optimiert.
Tierwohl und wirtschaftlicher Druck stehen im Konflikt
Nicht alle Stimmen sehen diese Entwicklung positiv. Dr. Annika Lange vom Deutschen Tierschutzbund kritisiert die genetische Hochleistung der modernen Milchkühe. Diese seien häufig überfordert, was zu Stoffwechselkrankheiten und Fruchtbarkeitsstörungen führe. Auch die wirtschaftliche Unsicherheit der Landwirte sei problematisch. Der Milchpreis schwanke stark und bilde die hohen Kosten für Technik und Tierärzte nicht zuverlässig ab.
Zudem weist Lange darauf hin, dass Tierschutzstandards mit Kosten verbunden sind. Verbraucherinnen und Verbraucher können durch Siegel auf Milchverpackungen Hinweise auf Haltungsbedingungen erhalten. Doch gute Standards lassen sich ohne höhere Preise nicht umsetzen. Ohne gesellschaftliche Bereitschaft, mehr für tiergerechte Produkte zu zahlen, bleibe den Landwirten oft keine andere Wahl, als Kompromisse einzugehen.
Die Entwicklung in Schleswig-Holstein zeigt klar, dass technische Innovationen und tiergerechte Haltung keine Gegensätze sein müssen – jedoch eine Balance erfordern. Der Strukturwandel in der Milchwirtschaft ist in vollem Gange, und wie Betriebe wie der von Florian Bornholdt zeigen, spielt Digitalisierung dabei eine Schlüsselrolle.
Quelle: NDR